Mittwoch, 16. September 2015

Geheimtipp: Argentarius 'Vom Gelde‎'

 "Wie die beste Frau diejenige ist, von der man am wenigsten spricht."
(aus: Argentarius - Vom Gelde‎)

Docendo discimus, oder: wer andere belehrt, lernt selbst. Wenn ein Buch die Welt 100 Jahre später beschreibt und damit goldrichtig liegt, dann muss es ein beachtenswertes Werk sein. Argentarius Lehre vom Geld aus dem Jahre 1921, das in zwölf Briefen an seinen Sohn, der übrigens wie er Banker werden möchte, abgefasst ist, gehört zu dieser Bücher-Gattung. Er liefert Thesen, die den Geistigen dazu betüchtigen, Antworten auf aktuelle Fragen des unseren Weltgeschehens 2015 geben zu können. Diese Antworten sind gleichermaßen bestechend scharfsinnig wie einfach - auch für Nicht-Ökonomen und -Finanzwissenschaftler - nachvollziehbar beschrieben. Genial dazu, teilweise gebetsmühlenartig, der ausgewogene Wechsel aus schwarzem Humor, sachlicher Kritik und wissenschaftlichbezogener Sprachkunst, wenn er bspw. von "Überfütterung des Kapitals" oder "kapitalistischer Inzucht" schreibt.

Was ist Geld? Wieso ist Griechenland, überhaupt europäische Peripherie, verschuldet? Welche Effekte hat Inflation (Geldmengenwachstum)? Welche Funktion hat der Zins? Welche Gleichgewichtsmechanismen herrschen zwischen Geld- und Gütermarkt? Welches Verhältnis besteht zwischen den beiden Märkten? Was sind staatliche und natürliche Geldschöpfung? Oder: was ist gutes und was schlechtes Geld? Interessante Zusammenhänge, die viele Aha-Momente mitbringen und eine wahre Freude für den Geist sind, das, und nicht weniger ist Argentarius 'Vom Gelde‎'. Wer seine aufgezeichneten Gedanken auch teilen möchte, kann dies kostenlos hier in gut 40 inspirierenden Seiten tun.

Spoiler
 
"Wer da hat, dem wird gegeben" (Mein ganz persönlicher Favorit)

"Der Verfall seiner Währung ist wohl das größte Unglück, das ein Volk treffen kann. Selbst ein verlorener Krieg bringt ihm nicht so schweren unmittelbaren Schaden."

"Und das Geld ist nichts anderes als ein attestiertes Recht. Geld verkörpert den aus einer Leistung entstandenen Anspruch auf gleichwertige Gegenleistung. Das heißt nichts anderes, als dass man ihm durch die Geldvermehrung einen Teil der Gegenleistung, die er sich mit seiner Arbeit verdient hat, gewaltsam genommen, dass man ihn bis zu einem gewissen Grade enteignet hat. Das Geld ist ein Recht und soll kein Unrecht werden. Darum darf der Staat sich niemals die Freiheit herausnehmen, Geld nach Willkür schaffen oder vernichten zu wollen, denn er schafft oder vernichtet damit wohlerworbene Ansprüche auf Güter." 

"Auf eine knappe Formel gebracht: Der Staat schafft, indem er Geldzeichen ausgibt, kein neues Geld, sondern er besteuert den einen Teil der Bevölkerung zu Gunsten des anderen. Richtiger ausgedrückt ist es ein brutaler Akt von Enteignung."

"Wert des Geldes = Wert der Leistung"

"Wir kommen also zu dem Ergebnis: Das Geld trägt keinen Wert in sich selbst, sondern gewährleistet nur den Anspruch auf einen bestimmten Güterwert. Und auch dieser Güterwert ist keine feststehende Größe, sondern schwankt mit der Menge des umlaufenden Geldes. Jedes Geldzeichen verleiht seinem Inhaber ein Anrecht auf einen Teil des jeweiligen Vorrats an Marktgütern. Existieren wenig Geldzeichen, so geht der Gütervorrat in wenig Teile, jeder einzelne Teil ist also wertvoll. Existieren viel Geldzeichen, so gewährt jedes von ihnen nur das Anrecht auf einen kleinen Teil des Vorrats, verkörpert also einen geringfügigen Wert."

"Wirkliches Geld entsteht infolge eines ganz bestimmten wirtschaftlichen Vorgangs und hat stets eine Leistung zur Voraussetzung. Es ist identisch mit dem Rechtsanspruch auf die ausstehende Gegenleistung.".

"Der Staat kann existierendes Geld, umlaufende Güterbezugsrechte, nicht vernichten, sondern es wiederum nur auf andere Personen übertragen, also die Besitzrechte umschichten." 

"Es kommt also nicht darauf an, wie oft und wie schnell das Geld umläuft, sondern darauf, ob es "im Nutzlauf' oder "im Leerlauf' zirkuliert. Bringt der Bauer Getreide zu Markt, oder liefert der Handwerker seine Arbeit ab, so ist die Geldbewegung, die dieser Vorgang auslöst, Nutzlauf. Verkauft aber ein Spekulant Aktien, oder vermittelt ein Häusermakler den Besitzwechsel einer Villa, so handelt es sich um einen Leerlauf des Geldes."
 
 "Wer viel leistet, zu dem kehrt das Geld schnell, wer wenig leistet, zu dem kehrt es langsam zurück."

"Der Zins ist weiter nichts als die Prämie, die man den Inhabern ruhenden Geldes dafür gewährt, dasssie den im Gelde verkörperten Güteranspruch, den sie selbst bis auf weiteres nicht geltend machen wollen, interimistisch an Dritte abtreten, die ihn sofort auszunutzen beabsichtigen."

"Die Einführung des Zinses, d.h. der Leihgebühr für ruhende Güteransprüche, in die Wirtschaft ist ein höchst raffiniertes Mittel, mit dem man die Geldbesitzer zwingt, die Güteransprüche, die sie besitzen, sofort auszuüben oder ausüben zu lassen, und so eine Nachfrage am Markt zu erzeugen, die sonst fehlen würde. Er bestimmt Tempo und Richtung der Produktion und stimmt Erzeugung und Verbrauch auf einander ab." 

"Man schlägt auf den Sack und meint den Esel."

"Die Banken hätten es in der Hand, die ihnen zur Verteilung überlassenen Güterbezugsrechte in solche Kreise zu leiten, die nicht an der Verstärkung des Proletariats mitwirken. Sie könnten den gewerblichen Mittelstand und das Handwerk fördern und dadurch dem rasenden Wachstum des Großkapitals Grenzen setzen."

"Bei uns wird zu viel geschwatzt und zu wenig gedacht."

"Jede Note und jedes Giroguthaben, das auf diese natürliche Weise entsteht, ist gutes,
gesundes Geld. Und jede Note, jedes Giroguthaben, das vom Staate oder einer Bank willkürlich geschaffen wird, ist überschüssiges, schlechtes Geld. Schlechtes Geld ist so ziemlich das größte Unglück, das ein Volk treffen kann. Freilich, die unheilvollen politischen und wirtschaftlichen Kriegsfolgen bleiben für lange, lange Zeit bestehen, die Geldentwertung und ihre Wirkungen dagegen gehen vorbei oder werden wenigstens in einigen Jahrzehnten nicht mehr in ihrer ganzen Schwere empfunden; der Enkel des Mannes, der heute enteignet worden ist, wächst als Proletarier auf und meint, es müsse so sein." (Einfach nur herrlich, aber genug geteasert)

5 Kommentare:

  1. Naja jemanden zu fragen "wieso bist du so dünn?" ist so, als würde man jemand dickes fragen "wieso bist du so fett?" ich glaube, so etwas fragen die wenigsten.
    Da hast du so sehr Recht. Wenn man Menschen statt leicht, schwer, etc. einfach nach der Persönlichkeit kategorisiert. Nett, unhöflich,...
    Aber leider achten die meisten ja nur auf das Äußere ;)
    Übrigens mal wieder seeeehr gute Zitate! :)

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  2. Klingt von der Thematik her sehr interessant. Den Spoiler habe ich allerdings nur überflogen. im Moment habe ich genug Lesestoff, wenn aber mal wieder die Not ausbricht (ich lese in letzter Zeit viel), werde ich vielleicht darauf zurück greifen :)
    Dann sind wir, was Menschen als Inspirationsquelle angeht allerdings ganz unterschiedlicher Meinung.

    Beste Grüße :)

    mtrjschk.blogspot.com

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  3. Hey :-) Zunächst einmal freue ich mich, dass du grundsätzlich für Kritik offen bist, findet man ja auch nicht so oft. Ich vermute, ich bin deshalb so....hm, nein anders herum: Ich bin magersüchtig. Gewesen. Und gerannt. Gelaufen. Täglich, zwanghaft, stundenlang. Keinen Marathon, da hast du recht. Aber ich bin in schlimmsten Phasen mehrfach in der woche einen Halbmarathon gelaufen. Das ist ja auch schon eine lange Distanz. Und vermutlich bin ich desahalb besonders kritisch. Dass ein Mensch dünne Beine schön findet und das auch darf, steht nicht zur diskussion. Aber dünn und massiv untergewichtig ist ja schon ein Unterschied. und etwas gut zu finden und es auch umzusetzen, ist noch mal etwas anderes. Ich finde untergewicht an mir zb auch schön. Aber irgendwann habe ich begriffen, dass es mir damit körperlich auf die dauer nicht gut gehen wird. Und ich spreche jetzt echt von Jahrzehnten. Weisst du, in jungen Jahren wirkt man im UG oft einfach noch jünger. Später irgendwann älter, vergreister, verbrauchter. Jedenfalls wünsche ich dir, dass du ein paar BMIpunkte draufpacken kannst und dennoch oder gerade dann besser laufen können wirst :-)

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  4. Hey! Der spass, das ist ja die große frage. Für mich war das Laufen ganz oft beides: geliebt und gehasst. Ich erinnere mich an ein paar Läufe, da hatte ich das Gefühl zu fliegen, ich war soooo schnell und es ging leicht, und ich rannte und rannte und es war pures Glück. Und ich ernnere mich an Läufe, die waren so schwer, alles so bleiern, reine Qual. Bei mir war das Laufen eben ganz manifest mit der ES verbunden. Anders als bei dir, wo es scheinbar irgendwann logischerweise darauf hinauslief: Wenn ich laufen will, muss ich auch essen, so war es bei mir: NUR wenn ich laufe, DARF ich essen. Egal, wie schlecht das Wetter war, egal wie müde ich war oder ob ich Schmerzen hatte. Ich rannte in allen Klamotten und Schuhen, auch barfuss :-) und auch konsequent in jeder Klinik. Wenn man mir sagte, ich sei so schnell, dann war ich megastolz. Ich entwickelte eine Besessenheit zu meiner Garminuhr, zu Zeiten und Strecken und Geschwindigkeiten, so wie andere ums essen und Kalorienzählen kreisen. Als sie mal kaputt war, drehte ich fast durch...jedenfalls weiss ich bis heute nicht genau, ob ich das Laufen mag oder nicht. oder anders ausgedrückt: ich bin seit ca einem Jahr nur zweimal gelaufen. Das war in den letzten drei Wochen ungefähr. ich wollte testen, ob es mich begeistern kann, wenn ich versuche, ohne Anspruch (....) heranzugehen. Beim ersten Mal schaffte ich vierzig Min am Stück, beim zweiten 45, aber mit zwei Gehpausen (bergauf). Und ja, es hat mich irgendwie glücklich gemacht. Und auch ja, da kam irgendwo in mir der druck auf: Wann schaffst du die stunde durchlaufen wieder? Ich möchte dennoch versuchen, das Laufen ganz behutsam wieder zu integrieren. Und was du zum Ersatz von Gefühlen usw schreibst, hmja, das kenne ich auch. Vor allem war das Laufen für mich immer ein Selbstwertmessgerät. Je schneller und länger ich lief, desto besser fühlte ich mich als Mensch. Leistung usw. However, jeder hat seinen Weg, da hast du schon recht. Dir wünsche ich, dass du irgendwannbald neben Job und Laufen noch etwas hat, das dich lebendig macht, etwas wie eine Frau, oder Freundin oder ein Hund :-))

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  5. Fantastische Bestzeiten?*gg* Nee. Bin zb nie die 10km auf 40Minuten oder so gelaufen. Aber ich war wahnsinnig stolz, eine für Frauen zügige Pace zu haben und auch mit BMI 15, kaum Futter und auch viel zu wenig Flüssigkeit mindestens eine Stunde jeden Tag zu laufen. Und es ist zT auch immer noch so, wenn ich zb sehe dass bei instagram jemand postet er war "joggen" und läuft in 50 Minuten 7km...dann denke ich, hmmm, also da geht noch was. Aber wie gesagt, ich möchte vom Leistungsgedanken wegkommen, und laufen, weil es ein tolles Gefühl ist. Ich laufe - wie du auch - wenn, dann nur draussen, Laufband wäre gar nicht meins. und draussen zu laufen das ist...man entdeckt so viel. Ich bin auch immer ungern ähnliche Strecken gelaufen oder fünfmal um den Block, öde. Ich brauche die abwechslung, Herausforderung, was Neues....für die augen und alle Sinne! Naja, wie gesagt, solange man sich seiner Verwundtbarkeit bewusst ist, ist Sport etwas wunderbares.
    Liebe Grüße, auch an den Affen

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